Kurze Weihnachtsgeschichten

Katzenjammer zum Weihnachtsabend

Lustig trieb der Wind die Schneeflocken über die Straße. Bert seufzte. Seit Stunden war er nun schon durch die Stadt gelaufen, ständig auf der Suche nach Pepi, der kleinen schwarzen Katze seiner Tochter. Doch so sehr er auch suchte, er fand Pepi nicht. Langsam ging Bert den Weg zurück nach Hause. Vor der Tür des schmucken Einfamilienhauses atmete er noch einmal tief durch, dann sperrte er auf. Mit leuchtenden Augen kam ihm seine Tochter Vivi entgegen. „Hast du ihn gefunden, Papi?“ Doch noch ehe die Kleine ausgesprochen hatte bemerkte sie, dass er alleine zurückgekehrt war. Ihr kleiner Mund verzog sich zu einem Schmollen, dann rollten dicke Tränen über ihre Wangen. Bert schloss das weinende Mädchen in seine Arme.

Er hörte seine Frau Elli, die beruhigend auf die Tochter einredete. „Wir werden Pepi schon finden, Vivi, sie kommt sicher wieder. Wahrscheinlich muss sie dem Weihnachtsmann helfen.“ Augenblicklich versiegte der Tränenstrom und Vivi sah zu ihren Eltern auf. „Dem Weihnachtsmann helfen?“ Ihre Stimme klang ungläubig, aber Elli nickte beharrlich und nahm Vivi an der Hand, um sie ins Wohnzimmer zu ziehen. „Natürlich helfen Katzen dem Weihnachtsmann“, sagte Elli bestimmt. Vivi kletterte auf den Schoss der Mutter und hörte interessiert zu.

„Wenn der Weihnachtsmann einmal so viele Geschenke austragen muss, dass sein Schlitten zu schwer ist um nur von seinen Rentieren gezogen zu werden, dann holt er sich Katzen. Die helfen dann den Rentieren beim Ziehen des schweren Schlittens, weißt du?“ Vivi nickte mit offenem Mund. Elli wiegte die Tochter sanft in ihren Armen und fuhr fort: „Und wenn dann alle Geschenke verteilt sind, dann gibt es ein riesiges Fest. Da feiern dann alle Katzen mit den Rentieren und dem Weihnachtsmann in der Zwergenwerkstatt. Sie bekommen Milch und Kekse, frisch aus dem Ofen. Und wenn die Feier vorbei ist, dann bringt der Weihnachtsmann die Katzen wieder nach Hause.“

Vivi blickte ihre Mutter zweifelnd an. „Und du meinst, das ist so? Wird Pepi wieder nach Hause kommen?“ Die traurigen Augen des kleinen Mädchens brachen Bert fast das Herz, und doch nickte er zustimmend, als seine Frau sagte: „Ja, mein Schatz, Pepi ist bald wieder da.“ Vivi schien beruhigt. Sie lachte und plapperte lustig beim Abendessen, mit strahlenden Augen packte sie die Geschenke aus und spielte schon kurze Zeit später unter dem Weihnachtsbaum mit ihrer neuen Puppe. Trotzdem sah Bert, dass sie immer wieder zum Fenster guckte, leise seufzte, und sich dann wieder mit der Puppe beschäftigte.

Gerade als es Zeit war, ums ins Bett zu gehen, hörten sie das leise Kratzen an der Haustür, gefolgt vom jämmerlichen Maunzen einer Katze. Mit strahlenden Augen rannte Vivi zur Tür und riss sie auf. Und da saß Pepi. Über und über in glitzerndes Lametta gehüllt sah die Katze aus wie eine Diva, die nur auf die Einladung zum Lauf über den roten Teppich wartete. Bert sah seine Frau lächelnd an. „Da war wohl unser Pepi tatsächlich zum Weihnachtsfeiern in der Zwergenwerkstatt, oder?“ Vivi bückte sich inzwischen, hob die maunzende Katze hoch und flüsterte: „Jetzt bist Du eine echte Weihnachtskatze, Pepi.“ Elli strich ihrer Tocher sanft über das Haar und flüsterte: „Ein wahres Wunder ist unser Pepi. Und vielleicht erzählt er dir von seinen Abenteuern im Weihnachtsland.“


Der einsame Weihnachtsmann und das Weihnachtswunder

Müde schlenderte er nach einem langen Arbeitstag im Kaufhaus die Hauptstraße seiner Heimatstadt hinab. Kalter Schneeregen fiel im ins Gesicht und er dachte an die lachenden Gesichter von kleinen Jungen und Mädchen, die ihn heute aus ihren großen Augen angeblickt hatten. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit arbeitete der alte Mann als Weihnachtsmann in einem großen Kaufhaus und sorgte dafür, dass die Kinder nicht aufhörten an den Weihnachtsmann zu glauben. Er verteilte Geschenke, erzählte wunderschöne Geschichten und brachte die Kleinen zum Lachen. Doch so schön die Arbeit mit den Kindern auch war, wenn der alte Mann nach Hause kam, empfing ihn nichts als Leere und Einsamkeit. Denn schon vor langer Zeit hatte er seine Frau und seine erwachsene Tochter bei einem Autounfall verloren und seitdem jedes Weihnachtsfest alleine verbracht. Der Verlobte seiner Tochter, mit dem er sich immer gut verstanden hatte, hatte sich aus Kummer um den Verlust seiner Partnerin zurückgezogen und war in die USA zurück gekehrt, wo er auch einige Zeit mit seiner Tochter gelebt hatte.

Einsame Weihnachtsvorbereitungen

Dennoch liebte der alte Mann Weihnachten und dekorierte jedes Jahr aufs Neue mit großer Liebe zum Detail seine Wohnung. Er schmückte den Weihnachtsbaum, backte Plätzchen und ließ die ganze Wohnung in hellem Kerzenlicht erstrahlen. Der Mann kochte mit großer Hingabe ein opulentes Mahl, das er dann Jahr um Jahr mit Blick auf ein Foto seiner Frau und seiner Tochter verspeiste. Er war dankbar dafür, diese Menschen in seinem Leben gehabt zu haben, doch haderte dennoch manchmal mit seinem Schicksal. Als der Mann gerade dabei war, den Tisch für sein einsames Abendessen zu dekorieren, klopfte es an der Tür. Verwundert ging der Mann Richtung Haustür und fragte sich, wer ihn um diese Uhrzeit noch besuchen wollte. Was ihn dann hinter der Tür erwartete, hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können.

Unerwarteter Besuch

Als der Mann die Tür öffnete, blickte er in die Augen seines ehemaligen Schwiegersohnes in spe. Freudig nahm er den jüngeren Mann in die Arme und war überwältigt von dem unverhofften Besuch. Erst nach der langen Umarmung fiel ihm auf, dass der Verlobte seiner Tochter nicht alleine gekommen war. Ein kleines Mädchen klammerte sich ängstlich an seine Hand. „Kommt doch herein“, sagte der alte Mann. „Hier draußen ist es doch viel zu kalt.“ Die Beiden nahmen die Einladung des alten Mannes nur zu gerne an und setzten sich ins warme Wohnzimmer. Fragend blickte der Hausherr von seinem Schwiegersohn zu dem kleinen Mädchen und wartete auf eine Erklärung. „Ich freue mich sehr, dass du mich mal wieder besuchst Jens, es ist viel zu lange her. Und wie ich sehe hast du deine bezaubernde Tochter mitgebracht. Ich bin froh, dass du wieder eine neue Partnerin gefunden hast.“ Verschämt blickte Jens zu Boden und lief rot an. „Helmut, darf ich dir meine Tochter und deine Enkelin Julia vorstellen? Sie wurde kurz vor dem Tod deiner Tochter geboren und an dem Wochenende ihres Besuches wollte sie dir von dem Kind erzählen. Sie hat sich geschämt, dass sie vor dem Ende ihrer Ausbildung und unserer Hochzeit schwanger geworden ist, weil sie dich nicht enttäuschen wollte.“ Dem alten Mann traten die Tränen in die Augen. „Ich hätte doch niemals schlecht von ihr gedacht. Das hätte sie doch wissen müssen. “ Der alte Mann war überwältigt von seinen Gefühlen und nahm das kleine Mädchen in die Arme. Dieses Weihnachten würde er nicht alleine verbringen.

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